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JV aus Sicht einer Projektpartnerin

Gabriela, Projektleiterin in Peru, berichtet über ihre Arbeit mit Freiwilligen

Wie lange arbeitest du schon mit Freiwilligen und welche guten Erfahrungen hast du mit ihnen gemacht?

Seit vielen Jahren gibt es Freiwillige in CANAT. Ich finde es eindrücklich zu sehen, dass der Freiwilligendienst selbst erst der Anfang von einer oft langjährigen Beziehung zu uns und zu Peru ist, und dass diese Beziehung weiterbesteht, auch wenn die Freiwilligen zurück in ihrem Heimatland sind. Wenn ich beispielsweise nach Deutschland komme und dann ein Treffen mit ehemaligen Freiwilligen organisiert wird, gibt mir das unglaublich viel.

Ein ganz besonderer Teil der Arbeit mit den Freiwilligen ist für mich, dass ich zuschauen kann, wie die Freiwilligen Stück für Stück wachsen und reifen, wie sie von den Realitäten vor Ort in Peru berührt werden und wie sie sich menschlich auf eine ganz positive Art verändern.

Wenn ich an positive Erfahrungen denke, kommt mir das Schlagwort „Gesichter" in den Sinn. Gesichter der Freiwilligen, Gesichter der Menschen, mit denen wir vor Ort gearbeitet haben und arbeiten und mit denen wir eine enge Bindung aufgebaut haben. Gemeinsam leben, gemeinsam leiden – die Freiwilligen sind ein Teil der Geschichte dieser Menschen. Es gibt einige Schicksale, die ich mit den Freiwilligen und den vor Ort lebenden Menschen teile. Sich gemeinsam für jemanden einsetzen ist die Erfahrung, die für mich eine unglaubliche Bindekraft hat, die Freiwillige und Einsatzstelle verbinden und die die Basis unserer Beziehung darstellt.

Es ist sehr schön festzustellen, dass wir voneinander lernen. Meine Kollegen und ich lernen viel von den Freiwilligen und die Freiwilligen lernen aber auch viel von den Menschen vor Ort, von den dortigen Lebensrealitäten. Wir wachsen gemeinsam. Ich habe gelernt, dass wir alle eigentlich dieselben sind, denn wir alle träumen davon, glücklich zu sein und die Welt ein kleines Stückchen besser zu machen. Dies gibt uns Kraft für unsere Arbeit in CANAT.

 

Was ist aus deiner Sicht das Wichtigste am Freiwilligendienst? Was erwartest du von den Freiwilligen?

Meiner Ansicht nach ist das Wichtigste für jede/n Freiwillige/n ist, dass er oder sie offen in den Freiwilligendienst geht und bereit ist, sich von den Lebensrealitäten vor Ort berühren zu lassen. Es sind Realitäten, die oftmals sehr wehtun, aber wir müssen diesen Schmerz aushalten. Denn dadurch können wir ganz besondere Erkenntnisse machen und neue Dinge kennenlernen.

Vorhin erst habe ich mit einem ehemaligen Freiwilligen darüber gesprochen, wo wir Gott finden, in dem was wir machen und in unserem Alltag. Ich habe ihm erzählt, dass ich persönlich Gott in einem Gefängnis gefunden habe. Ich habe dort einen jungen Mann besucht, den eigentlich alle anderen Menschen aufgegeben hatten und der komplett allein war. Trotzdem habe ich in ihm eine Spur Gottes entdeckt. Sich auch für solche Erfahrungen zu öffnen, halte ich für ganz wichtig und wertvoll.

Ich glaube, diese Spur Gottes findet man oft in denjenigen Menschen, die am meisten leiden. Es kann eine Art Entdeckung sein und auch die Freiwilligen können diese Spuren und die Anwesenheit Gottes in den Menschen entdecken.

Ich kannte einen Mann, er ist vor zwei Jahren verstorben, der sein Leben lang in einem sehr armen Fischerdorf und in einfachsten Verhältnissen gelebt hat. Er erblindete und konnte seine Arbeit als Fischer nicht mehr ausüben. Ich habe ihn eines Tages gefragt, ob er an Gott glaubt. Daraufhin hat er in meine Richtung geblickt und gesagt: „Wie könnte ich denn nicht an Gott glauben, wo er doch gut zu mir ist?". Ich habe ihn verwundert gefragt: „Wo ist denn Gott gut zu dir?" und er antwortete mir, dass er dankbar ist, dass jeden Tag die Sonne auf- und untergeht und die Dorfbewohner hinaus aufs Meer fahren und fischen können. Eigentlich etwas ganz simples…

Einen Freiwilligendienst zu leisten und solidarisch mit den Menschen vor Ort zu leben kann auch eine große Kraftquelle sein, weil es ein Weg ist, der einem einen Sinn im Leben verschafft. Auch diese Erfahrung halte ich für sehr wertvoll. Gemeinsam zu entdecken, dass es Hoffnung gibt und einen Weg zu finden – vor allem auch durch die Menschen, die dem Anschein nach keine Hoffnung mehr haben.

 

Was möchtest du den Freiwilligen mit auf den Weg geben, egal in welche Einsatzstelle und in welches Einsatzland sie gehen?

Meine Botschaft an euch lautet: Seid offen für die kleinen Dinge, die euch während eures Freiwilligeneinsatzes begegnen werden, lasst euch berühren und dadurch werden diese Dinge zu etwas Großem!

Ich möchte euch auf den Weg mitgeben, dass ihr Lust habt auf das, was ihr macht und dass ihr euch freut, hinaus gehen zu können in die Projekte. Ich wünsche euch allen, dass ihr nicht aufgebt, auch wenn schwierige Momente auf euch zukommen. Diese lassen sich alle meistern und geben letztendlich Kraft, durchzuhalten. Ich habe im Laufe der Jahre gemerkt, dass Veränderungen Zeit brauchen und man sie nicht erzwingen kann.

Ganz besonders am Anfang: Habt Geduld mit euch selbst. Ihr werdet in eine andere Kultur kommen, müsst eine neue Sprache lernen. Das kostet immens viel Kraft und ihr werdet erschöpft sein von den ganzen Eindrücken, gerade in der Anfangsphase. Das ist aber in Ordnung und gut so, denn das Ganze ist ein Prozess. Und die Menschen in euren Projekten, eure Ansprechpartner, wissen das.

Deshalb setzt euch nicht unter Druck, lasst euch erst einmal berühren. „Déjense tocar el corazón" sagt man auf Spanisch. Atmet die Luft in eurem Einsatzland, schmeckt die Geschmäcker, nehmt teil am Leben der Menschen, seid da.